Nkonde oder der Zauber Afrikas

Auf der anderen Seite des Alltags denke ich mich in die Ferne. Sei es während der Arbeitspausen oder während der S-Bahn-Fahrten durch Berlin. In solchen Augenblicken schreibe ich meinen Beitrag zur Blogparade: Was bedeutet für mich Fernweh?

Virunga-Vulkane in Ruanda

Ich finde meine Nischen dort, wohin ich mich sehne, ob im Planen einer Reise oder noch mehr im Rückblick auf ein Erlebnis. Um in eine andere Welt einzutauchen, entfliehe ich dem Gewohnten. Einblicke eröffnen sich mir in Erinnerungen: Begegnungen mit herzlichen Menschen während einer Hochzeit in der südafrikanischen Jeffreys Bay nahe von Port Elisabeth oder die Landschaft um die Virunga-Vulkane in Ruanda. Doch Fernweh ist für mich noch mehr an einzigartige Stimmungen gebunden, die über das Alltägliche hinausweisen. Ich entziehe mich dem Bann meiner mich umgebenden Gegenwart, was auch ein Wesenszug von Fernweh für mich ist. Mir gleicht es einem Tagtraum, während dem ich mich in einen heißen August in Ruanda zuürckversetze:

Nkisi Nkondi, aus der Kollektion des Brooklyn Museum
Nkisi Nkondi, aus der Kollektion des Brooklyn Museum

Ankunft frühmorgens am internationalen Flughafen Kigalis inmitten der langen Trockenzeit. Kaum habe ich das Flugzeug verlassen und den Boden der Hauptstadt betreten, umgibt mich die würzige Luft verbrannten Eukalyptus. Selbst in der Millionenmetropole umhüllt der Dunst des harzigen Holzes das bunt gekleidete Leben auf den Märkten, an den Straßen und in den Geschäftsvierteln. Vorbei an Armenvierteln, Botschaften und Regierungsgebäuden erreiche ich zur Mittagsglut ein Grundstück, auf dem ein abgemagerter Mischlingshund mehr wegen des Durstes, als aus Hunger mit einem tiefgefrorenen Stück Fleisch spielt. Es ist der Hund eines schwarzafrikanischen Mannes mit krausem Bart. Er lädt mich mit langsamen Gesten ein, seine Lehmhütte zu betreten. Im schwülen Dämmerlicht sehe ich schemenhaft Flechtwerk, Dolche, Speere und Schnitzereien. Ich gehe ziellos durch den Raum und beschaue das Angebot des Händlers. Starr bleibe ich vor einer von Metallsplittern übersäten Holzfigur stehen, deren Bauch ein Schildkrötenpanzer bildet. Es ist eine mehrere Generationen weitergereichte Ritualfigur aus der Region am Kiwusee, deren zeitlose Aura mich ergreift. Ich frage nach ihrem Wert und der Händler möchte sie mir nach langem Verhandeln zum halben Preis verkaufen, doch ich lehne ab. Seitdem verfolgt mich über Jahre die Frage, warum ich sein Angebot ausschlug.

Nationalpark Virunga

Blicke ich zurück auf meinen Ausflug nach Ruanda, dann verstehe ich meinen Aufenthalt im Herzen Afrikas als eine Zuflucht, die mich noch immer aus meinem alltäglichen Erlebnissen in die Fremde führt. Das Fremdartige ist hier an Kigali und vor allem an eine Nkonde genannte Holzfigur gebunden, die dem Schutz eines Menschen und dessen Angehörigen vor Schadenszauber dient. Für mich ist das erlebte Fernweh wie ein Staunen gegenüber der Vielfalt an Möglichkeiten. Vor Reisebeginn wusste ich nicht, was geschehen wird. Rückblickend fand ich genau den einen Weg in Kigali zu der Hütte des Händlers, um etwas zu erleben, das mit keiner Währung erworben werden kann.

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